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Ein Museums-Audioguide ohne Ausstellung – geht das denn? Ein Gastbeitrag aus der Albertina von Laura Luzianovich, MA

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Sie befinden sich im Ausstellungsraum des Museums, haben den Audioguide in der Hand, drücken sorgfältig die Zifferntasten, um die Nummer korrekt einzugeben. Kurz Stille, dann ertönt eine Stimme und beginnt über ein Kunstwerk zu sprechen…aber halt,- da ist ja gar kein Kunstwerk vor Ihnen! Worüber wird gesprochen? 

Das ist schon richtig so, kann ich Sie beruhigen. Der Albertina Kunstvermittlung ist es erstmals in der österreichischen Museumslandschaft gelungen, einen kompletten Audioguide unabhängig von einer Ausstellung zu produzieren. „Gehört. Gesehen. Frauen in der Albertina“ heißt das Projekt, das ein Kind der Coronazeit ist und nun, seit Juni 2021, auf eigenen Beinen steht. 

Der besondere Audioguide

Ein Audioguide, der von der Kunstvermittlung geschrieben wird und dem Konzept einer kuratierten Ausstellung folgt, ist in der Geschichte der Museen kein Novum. Dass es sich hier aber um keinen gewöhnlichen Audioguide handelt, wird schnell klar, wenn man den ersten Worten der sprechenden Kunstvermittlerinnen Nathalie Neubauer und Laura Luzianovich lauscht. Das Besondere daran ist, dass der Audioguide einen Gegenentwurf zu vorhandenen Ausstellungen bildet und somit Werke erfahrbar macht, die mitunter auch nichtpräsentiert werden. Die Vermittlung beschreitet damit ein neues Feld, das bislang von den Kurator_innen bespielt wurde. Sie kehrt das Verhältnis um, es folgt nicht mehr Audioguide auf Ausstellung, sondern nun gibt der Audioguide wortwörtlich den Ton an. Er folgt einem eigenen roten Faden und bietet jenen Platz, die in Museen nach wie vor unterrepräsentiert sind: den Künstlerinnen. 

Wo sind die Frauen?

Auch wenn die Albertina in den vergangenen Jahren viele, große Retrospektiven Künstlerinnen gewidmet hat, sind die Frauen in geringerem Ausmaß vertreten. Im Audioguide erfahren die Besucher_innen die Gründe dafür und erhalten einen Einblick in das Kunstschaffen von Frauen. Dabei wird einerseits auf den feministischen Aspekt eingegangen, andererseits soll die Vielfalt der künstlerischen Wege von Frauen aufgezeigt werden, die in der Sammlung vertreten sind. Seit der Gründung der Albertina spielen Frauen eine wichtige Rolle, aber niemals waren sie sichtbarer als jetzt. Damit konnte die Vermittlungsabteilung auf einen Wunsch des Publikums eingehen, das immer wieder Fragen nach dem Platz der Künstlerinnen stellt. Während die Ausstellungsplanung diese Wünsche nicht immer bedienen kann, ist es die Kunstvermittlung, die durch die Zusammenarbeit mit den Besucher_innen deren Bedürfnisse und Wünsche kennt. 

Wie kam es zu diesem Projekt? Ein Blick hinter die Kulissen!

Dieses Projekt ist wohl Corona und den Lockdowns geschuldet. Endlich hatte die Kunstvermittlung Zeit sich mit sich selbst und neuen Formaten zu beschäftigen. Nach wie vor wird Vermittlung oft als Arbeit verstanden, die direkt am Kunden stattfindet. Aber tatsächlich benötigt es auch Zeit zur Reflektion der strategischen Ziele. Dabei können sich neue Möglichkeiten eröffnen, wie eben dieses, von den Ausstellungen unabhängige, Audioguide-Projekt. 

Die ursprüngliche Idee bestand in der Ausarbeitung eines Vermittlungskonzepts zu Künstlerinnen in der Albertina. Gleichzeitig gab es auch die Überlegung Audioguide-Texte für die nächste Ausstellung zu verfassen. Daraufhin stand die Frage im Raum: Warum nicht einen Audioguide über Frauen schreiben und die Texte selbst sprechen und aufnehmen? Eine hausinterne Produktion ist eine gute Möglichkeit in Zeiten der Krise, die auch die Museen schwer getroffen hat, mit Eigenmitteln etwas aufzubauen.

Es war eine tolle Erfahrung Teil des Projekts zu sein und auch dessen Entwicklungsschritte mitzuverfolgen. 

Unter der Projektleitung von Friederike Lassy-Beelitz, die sich bereits für viele Audioguide-Produktionen verantwortlich gezeigt hat, haben die Kunstvermittler_innen Nathalie Neubauer, Matthias Vieider und Laura Luzianovich die Idee entwickelt, die Auswahl der Künstlerinnen und Werke bestimmt, die Redaktion der Texte betreut und schließlich den spannendsten Teil, weil Neuland für uns, gewagt: das Einsprechen der Texte. Oxana Schramm hat die Produktion mit Texten ergänzt, die in einer Form verfasst sind, die auch für Menschen lesbar sind, deren Mutter die österreichische Gebärdensprache ist. 

In Coronazeiten musste eine provisorische Lösung als Aufnahmeraum herhalten. In fast surrealistischer Manier wurde ein Kleiderkasten mit Wäscheständer plus Mikrofon zum Tonstudio umfunktioniert. Die Vielfältigkeit unseres Teams hat sich bemerkbar gemacht, als das Wissen von Kunsthistoriker_innen, die Erfahrung von Radiosprecherin und das Knowhow und Gehör eines Musikers aufeinandergetroffen sind. Das Ergebnis lässt sich hören!

Wie funktioniert nun der Audioguide, wenn kein Bild zu sehen ist?

Unser Audioguide spielt genau mit diesem Moment des Präsentierten und Nichtpräsentierten. Den Besucher_innen soll bewusst werden, dass es viele fantastische Künstlerinnen gibt, die aber leider nicht immer ausgestellt sind. 
Man bekommt hierfür kein Audiogerät mehr ausgehändigt, sondern ein Kärtchen mit einem Code, mit dem man sich am eigenen Smartphone registrieren kann. Gehört. Gesehen: Frauen in der Albertina umfasst 15 Beiträge. Die passenden Kunstwerke dazu werden am Handydisplay angezeigt und eventuell sind die Originale auch vor Ort zu betrachten. Hat man den Audioguide einmal auf dem Handy, kann man ihn sich sogar zuhause anhören. 

Ein Museums-Audioguide ohne Ausstellung – geht das denn? 

Um die Eingangsfrage zu beantworten: ja es geht. Die Kunstvermittlung der Albertina hat es vorgemacht und es gewagt einen eigenen Audioguide zu produzieren. Das Großartige ist, dass dieses Vermittlungsprojekt bleibende, auditive Spuren im Museumsraum hinterlässt. 

Ob es auch funktioniert? Am besten einfach beim nächsten Albertina Besuch hinein hören!

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