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Dive in. Ein Impuls zur hybriden Kunstvermittlungsplattform „Factory“ im Museum Brandhorst

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Unter dem Titel „Factory” entsteht im Museum Brandhorst in München, ein interdisziplinärer und genreübergreifender Kunstvermittlungsraum sowie eine digitale Kunstvermittlungsplattform, die das Programm ergänzt und ortsunabhängig erweitert. Das Museum Brandhorst nützte den Rahmen des Münchner Kunstareal Festes – ein Kulturevent in Kooperation mit dem Kulturreferat und Museen – über hybride Kunstvermittlung zu reflektieren und gleichzeitig einen Startpunkt für das neue Projekt „Factory“ zu setzen.

Mein Impuls zu den Abendvorträgen des Kunstarealfestes sollte den Themenbereich Kunstvermittlung und Kunstvermittlung im digitalen Raum aufmachen, sodass wir anschließend und ausgehend dazu diskutieren konnten.

Dive in. Daraus lassen sich Leitfragen entwickeln, die uns über Kunst, Vermittlung und den digitalen Raum nachdenken lassen. Ich habe mich für folgende 4 Leitfragen entschieden. 

  • Von wo aus wollen wir eintauchen? 
  • Wohin wollen wir tauchen? 
  • Was machen wir dort, wo wir eingetaucht sind? 
  • Wer ist überhaupt wir? Wer taucht ein?  

Ich werde mit der letzten Frage beginnen. Wer ist also wir? Um wen geht es hier? 

Gruppe 1: Es geht um das Publikum. Um Menschen, die sich mit zeitgenössischer Kunst beschäftigen wollen und nicht beschäftigen wollen. Es geht also um Besucher*innen und Nicht Besucher*innen. Und um jene, die sich dazwischen befinden, weil sie noch gar nicht wissen, ob sie sich zu den Besucher*innen oder zu den Nicht Besucher*innen zählen. 

In der Kunstvermittlung sprechen wir von Dialoggruppen. Um das Marketingsprech „Zielgruppen“ abzuschwächen bzw. umzupolen. Denn jene Menschen, mit denen wir in der Kunstvermittlung arbeiten, sind nicht unsere Targets also Ziele sondern unsere Dialogpartner*innen. Egal ob diese Dialogpartner*innen junge Menschen, ältere Menschen, Menschen aus unserem Bildungskanon oder die, aus welchen Gründen auch immer, nicht diese Möglichkeit bekamen, Menschen, mit besonderen Bedürfnissen oder ohne. Menschen mit viel Zeit oder wenig Zeit. Menschen mit Vorwissen oder keinem Vorwissen. Menschen aus dem näheren Umfeld oder aus anderen Kulturen. Es sind Menschen mit Bedürfnissen und Erwartungen. 

Was möchten und brauchen also die Besucher*innen? Judy Rand hat 1996 in den Visitor Bills of Rights bereits einiges von diesem Wollen und Brauchen festgemacht. Obwohl dazwischen nun mehr als 25 Jahre vergangen sind, haben sich diese Bedürfnisse nicht wirklich verändert. Es sind vielleicht noch einige hinzugekommen. Es braucht Annehmlichkeit, Orientierung, Zugehörigkeit, Genuss, Geselligkeit, Respekt, Kommunikation, Lernen, Erholung, Anreize, Zutrauen und Wahlmöglichkeiten. Judy Rand hat 1996 natürlich komplett analog gedacht. Denn der digitale Raum, war zwar damals schon da, aber wurde noch nicht von Kunst und Kultur zur Vermittlung genutzt. Das heisst, wir sind nun aufgefordert hier weiterzudenken. Was braucht und will das digitale Publikum? Und um es noch eine Spur komplexer zu machen. Was braucht und will das analoge Publikum, welche in „Hybridräume“ geführt wird und sich daher mit einem Bein im analogen und mit dem anderen im digitalen Raum befindet? 

Die Forschung visualisiert und beschreibt das Publikum unter anderem durch Kategorisierungen und Zuteilungen, die uns zum besseren Verständnis unserer Gegenüber eine gute Stütze sein können.

  • Entdecker*innen – Explorers
  • Mitbringer*innen – Facilitators
  • Erleber*innen – Experience Seekers
  • Expert*innen – Professionals / Hobbyists
  • Auflader*innen – Recharger

Aus: Falk, John H. (2009): Identity and the Museum Visitor Experience. Walnut Creek: Left Coast Press.

Im Kontext Online Marketing und Social Media Plattformen werden Nutzer*innen zu folgenden Gruppen zugeordnet. Die Kombination dieser Kategorierungen und Zuschreibenden hinsichtlich des Verhaltens von analogen und digitalen Besucher*innen sind sinnvoll, damit die Kunstvermittlung mit ihren Formaten und Programmen, im digitalen Raum nicht am Publikum „vorbedenkt“ sondern Angebote entwickelt, die die Bedürfnisse und Erwartungen einlösen können.

  • Creators (Schöpfer / Ersteller)
  • Conversationalists (Gesprächspartner)
  • Critics (Kritiker)
  • Collectors (Sammler)
  • Joiners (Mitmacher)
  • Spectators (Zuschauer)
  • Inactives (Inaktive)

Gruppe 2: Wir, die Kunstvermittler*innen. Diese Gruppe hat zudem noch die Institution im Schlepptau. Und auch hier gibt es Bedürfnisse, Erwartungshaltungen, Haltungen, Bedingungen und vor allem Strukturen, die manches leicht und manches sehr schwierig gestalten. 

Die Kunstvermittlung und somit die Kunstvermittler*innen konnten sich innerhalb und ausserhalb von Institutionen in den letzten Jahren enorm entwickeln. Ausgehend des affirmativen Diskurses (Carmen Mörsch), konnte die Kunstvermittlung, in den vergangenen zwanzig Jahren, den reproduktiven, dekonstruktiven und transformativen Diskurs elaborieren. Ob und wie nun diese Diskurse auch für den digitalen Raum und das Publikum im digitalen Raum weitergedacht werden kann, beschäftigt nun viele Kolleg*innen. Ein Projekt wie jenes im Museum Brandhorst wird hier wichtige Ergebnisse liefern können.  

Im Berufsbild der Kunstvermittler*innen, welches 2017 vom Österreichischen Verband der Kunstvermittlerinnen ausgerufen wurde, sind erhellende Definitionen aufgelistet, die darstellen, wie breit Kunstvermittlung gedacht und eingesetzt werden kann. Diese Fest- und Beschreibungen sind für den analogen Raum gedacht aber ebenfalls als derzeitige Ausgangslage auch für Vermittler*innen, die sich mit ihrem Publikum im digitalen Raum befinden anzulegen.

KulturvermittlerInnen initiieren inklusive Bildungs- und Kommunikationsprozesse. Sie machen Programm für ein heterogenes Publikum auf Basis aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen und Fragestellungen.

Falls jemand noch tiefer in das Berufsbild und unsere Bereiche einsteigen möchte, hier gehts zu einer Mindmapp, die ich dazu erstellt habe.

Die Aufgabe der Kunstvermittlung ist es, durch Räume, Formate und Methoden jene Haltungen, Bedürfnisse und Erwartungshaltungen von Museum und Besucher*innen in Beziehung zu stellen. Der gesellschaftliche Wandel, sowie technische Entwicklungen eröffnen nun zusätzliche Räume, wie beispielsweise den digitalen oder den Hybridraum, in dem diese „Beziehungsarbeit“ stattfinden kann. Voraussetzungen dazu sind, unter anderem das Wissen zu den Erwartungen und Bedürfnissen von Menschen im digitalen Raum. Interaktion und Partizipation nehmen hier eine immer wichtigere Rolle ein. Museen stehen vor der Herausforderung, sich entsprechend zu positionieren und passende Angebote zu entwickeln.

Die beiden Fragen: Von wo aus wollen wir eintauchen und wohin wollen wir tauchen habe ich jeweils schon ein bisschen mit den 4 Diskursen von Carmen Mörsch und dem Versuch im ersten Schritt die Bgrifflichkeiten zu definieren zu beantworten.

Bevor ich nun der Frage was machen wir dort, wenn wir eingetaucht sind? Raum gebe, ein paar Begriffsdefinitionen. (Damit wir jedenfalls, vom selben sprechen)

  • Analoger Raum: Damit ist also der Museumsraum oder der öffentliche Raum oder der Kunstvermittlungsraum gemeint in dem wir uns physisch bewegen. 
  • Hybrid Raum: Damit ist der „Zwischenraum“ gemeint, der den analogen mittels digitalen Tools und Techniken wie beispielweise Smartphones, Tablets, Computer, Apps, AR, AI, mit dem digitalen Raum verbindet.
  • Digitaler Raum: Damit ist das World Wide Web, das Internet gemeint, der wieder rum weitere digitale Räume einschliesst wie beispielsweise eine Website, Zoom, Teams, Whatsapp, Signal, soziale Netzwerke wie Facebook, Instagram, Twitter oder virtuelle Räume wie ein Hub.  

Dann gibt es noch 2 Begrifflichkeiten, die noch nicht festgeschrieben sind, aber meine Kolleg*innen und ich definieren Digitale Kunstvermittlung und Kunstvermittlung im digitalen Raum so: 

  • Digitale Kunstvermittlung: Damit ist jene Vermittlung gemeint, die mit Hilfe von technischen Tools eine Verbindung mit dem digitalen Raum eingehen lässt. Zu vergleichen mit der medialen Vermittlung aus dem analogen Raum. 
  • Kunstvermittlung im digitalen Raum: Damit ist jene Vermittlung gemeint, die durch personale Vermittlung im digitalen Raum stattfindet. 
  • Vermittlungsmethoden: Grundsätzlich sind damit pädagogische, partizipative, interaktive Möglichkeiten gemeint, die Vermittler*innen einsetzen und nutzen um ein konkretes Vermittlungsziel zu erreichen. Das heisst, alles was wir in einer Vermittlungseinheit einsetzen liegt diesem Ziel zugrunde. Wir setzen uns weder einfach so am Boden in einen Kreis, noch verwenden wir einfach so jenes Papier oder jenen Stift und so weiter. Und die Methodik, die im digitalen Raum oder im Hybridraum genutzt und eingesetzt werden kann, steckt noch in den Kinderschuhen, Obgleich uns die Corona Pandemie ermöglicht hat, viel zu experimentieren und auch zu entwickeln.   

Was machen wir dort, wenn wir eingetaucht sind?  

Was kann man überhaupt im digitalen Raum machen? Man kann erfahren, erleben, lernen, verstehen, kommunizieren, sich die Zeit vertreiben, genießen, staunen, lachen, reden, recherchieren, schreiben, kreativ tätig sein … man kann sich einbringen interagieren und partizipieren. Das sind schon wieder 2 Begrifflichkeiten, nein mehr noch Schlagworte ohne die die Kunstvermittlung in den letzten Jahren nicht mehr auskommt. Kann und darf unbedingt auch kritisch betrachtet. Vor allem wie es uns im Vermittlungskontext gelingt tatsächlich Interaktive, partizipative und ich bringe noch einen Begriff ein, der uns beschäftig Inklusive Vermittlungsprogramme und Angebote Dialoggruppenorientiert anzubieten. 

Im Hinblick auf die Entwicklung von Interesse und selbstbestimmter Motivation haben insbesondere die drei Bedürfnisse nach Kompetenzerfahrung, sozialer Eingebundenheit und Selbstbestimmung (Autonomie) eine zentrale Funktion. Wenn wir davon ausgehen und das zeigen uns sämtliche Umfragen und Forschungsergebnisse dass Besucher*innen partizipieren, interagieren und am Geschehen teilnehmen, teilhaben möchten, dann spielt uns der digitale Raum wesentlich in die Hände. Denn der digitale Raum fordert Partizipation und Interaktion ein und ermöglicht sie auch. Was der digitale Raum zudem noch erlaubt ist die Umsetzung folgender Theorien und Methoden: 

  • Kooperation
  • Ko-laboration
  • Komplizenschaft 
  • Ko-kreation
  • Peer2Peer

Diese Theorien benötigen das Fallen bzw. Verlassen von hierarchischen Strukturen und Expertentum. Menschen begegnen sich auf Augenhöhe und lernen mit und voneinander, weil sie sich selbst, ihr Erfahrungswissen, ihre Phantasie, ihre Vorstellungen einbringen können. 

Wenn wir beispielsweise einen kurzen Surftrip im Netz machen und uns die Angebote und Programme von Museen und anderen Kultureinrichtungen ansehen, dann kann man nicht nur die steile Lernkurve der letzten Monate erkennen, sondern vor allem auch wirklich spannende und tolle Möglichkeiten kennenlernen.

Um nochmals zurückzukommen auf erfahren, erleben, lernen, verstehen, kommunizieren, sich die Zeit vertreiben, genießen, staunen, lachen, reden, recherchieren, schreiben, kreativ tätig sein All das kennen wir doch oder? Das sind Dinge, die wir auch im analogen Raum machen. 

Im digitalen Raum geht eventuell manches schneller. Ein Maus Klick oder ein Finger Klick öffnet uns visuelle und auditive Welten. Im digitalen Raum können Raum, Distanz und Zeit neu eingesetzt werden. Zoom oder Teams hat uns in den letzten Monaten unzählige Begegnungen ermöglicht, die wir analog nie gehabt hätten. 

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