Analoge Kunstvermittlung Kunst sehen Kunstvermittlung

Die Zukunft beginnt heute. Wie zeitgenössische Kunst und Kultur die Vergangenheit mit der Gegenwart verknüpft

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Mein Beitrag in Form eines Referates am 19. Oberösterreichischer Museumstag: „Kunst zum Sprechen bringen – Aspekte der Kunstvermittlung für Regionalmuseen“ Samstag, 6. November 2021
Museum Angerlehner, Thalheim bei Wels

Pia Sternbauer und ich spannen den Bogen, ausgehend theoretischer Diskurse, Begrifflichkeiten und Verortungen, hin zu praktischen Beispielen, aus dem Kontext und dem Bereich der Kunstvermittlung. 

Mein Referat steckt zunächst die Kunstvermittlung per se ab. Anhand eines Beispiels aus der Praxis „Kulturseptember Obertrum am See“ der Kulturinitiative drum 5162 wird gezeigt, wie zeitgenössische Kunst und Kultur mit diesem theoretischen „Fundus“, der in den vergangenen 20 Jahren bereits sehr weit gedacht und vielerorts auch angewandt wurde und wird, umgehen kann. Als Überleitung zum Impuls von Pia Sternbauer werden Möglichkeiten und Ausblicke geteilt, wie eine Annäherung an ein Projekt mit zeitgenössischen Künstler*innen stattfinden kann und Weiterbildungs- und Vernetzungsmöglichkeiten umrissen. 

  1. In welchem Spannungsfeld verortet sich die Kunstvermittlung in den 20-iger Jahren des 21. Jahrhunderts? 
  2. Welche Rolle spielt die zeitgenössische Kunst und die Künstler*innen im Spannungsfeld zwischen Publikum und Vermittlung? Annäherung anhand des Formates: „Kulturseptember Obertrum am See“ der Kulturinitiative drum5162 zur Auseinandersetzung und Verortung von Gegenwartskultur in Obertrum am See. 
  3. Und jetzt? Eine (Nicht) Anleitung zur (erstmaligen oder erneuten) Umsetzung vermittlerischer Praxis, unterlegt mit Möglichkeiten und Ausblicken. 
  1. In welchem Spannungsfeld verortet sich die Kunstvermittlung in den 20-iger Jahren des 21. Jahrhunderts? 

Diskurse, Theorien und Begrifflichkeiten zur Kunstvermittlung: Die vier Diskurse von Carmen Mörsch, Audience Development, Partizipation und Interaktion, Outreach, Kooperation, Ko-Kreation und Komplizenschaft. 

Die Kunstvermittlung stellt eine sehr heterogene Praxis mit unterschiedlichen Positionierungen dar. Unter dem Begriff der Kunstvermittlung, der unscharf und ein weit gefasster Sammelbegriff ist, wird ein diverses Feld der kulturellen Bildung in Kunst- und Kulturinstitutionen, in der Schule und in außerschulischen Einrichtungen und Projekten subsumiert. Generell wird er „für Situationen angewendet, bei denen Menschen über die Künste (oder auch wissenschaftliche und gesellschaftliche Phänomene und Erkenntnisse) informiert werden, über sie in Austausch treten und auf sie reagieren.

Bei der ICOM CECA Preconference in Steyr 2017, haben der Österreichische Verband der KulturvermittlerInnen und ICOM CECA das Berufsbild für die Kulturvermittlung verabschiedet: 130 Kulturvermittlerinnen und Kulturvermittler aus ganz Österreich haben das Berufsbild für die Kulturvermittlung beschlossen und in der Generalversammlung des Verbandes bestätigt.

Diese Definitionen und Zuschreibungen ermöglichen nicht nur eine „Schärfung“ des Berufsbildes sondern, sie sind auch sehr aufschlussreich, wofür sich Kunstvermittlung und somit auch die Kunstvermittler*innen zuständig fühlen und wie verzweigt und breit das „Vermitteln von Kunst“ ist. 

https://mm.tt/1619488489?t=N0hvtCSrXs

„Wir befinden uns in einer ständigen Reflexion von Theorie und Praxis.“ [1]

Seit dem Vermittlung theoretisch verhandelt wird, kann eine zunehmende Entwicklung beobachtet werden. Diese Theorien empfinde ich als Basis, mit der sich jede Kunstvermittlerin und jeder Kunstvermittler schon mal auseinandergesetzt haben sollte. Auseinandersetzung und vor allem jene mit Theorien benötigen Zeit. Zeit, die im Rahmen meines Inputs nicht vorgesehen ist, daher werde ich jetzt nur Schlagwörter zu jenen Theorien, die mir wichtig erscheinen, als Blitzlichter in die Runde werfen und nur auf die Diskurse von Carmen etwas näher eingehen. 

Diskurse von Carmen Mörsch[2]

  • Der Affirmative Diskurs Affirmativ: bejahend – bestätigend
  • Der Reproduktive Diskurs Reproduktiv: nachbildend, nachahmend
  • Der Dekonstruktive Diskurs Dekonstuktiv: zerlegend, auflösend, zergliedernd
  • Der Transformative Diskurs Transformativ: umwandelbar, übertragbar

Diese 4 Diskurse implizieren unterschiedliche Bildungsbegriffe – Vorstellungen davon was Bildung ist, wie sie sich ereignet und wer durch sie adressiert wird.  Im affirmativen und reproduktiven Diskurs ist die Position des Vermittelnden statisch und die Bildungsinhalte sind vordefiniert. Der dekonstruktive und transformative Diskurs sind von einem selbstreflexiven Bildungsverständnis getragen. Das bedeutet, dass Bildung selbst zum Gegenstand von Dekonstruktion und Transformation wird. Inhalte, AdressatInnen und Methoden werden einer kritischen Überprüfung unterzogen. Innerhalb dieses Diskurses wechseln die Positionen von Lehrenden und Lernenden. Der Bildungsprozess wird als wechselseitiges strukturiertes Geschehen verstanden. „Wer bestimmt, was wichtig ist, vermittelt zu werden? Wer kategorisiert sogenannte Zielgruppen und mit welchem Ziel? Wie weit darf Vermittlung in ihren Methoden und Inhalten gehen, bevor sie als unangemessen oder als Bedrohung empfunden wird? Beiden Diskursen ist die Voraussetzung einer grundsätzlichen Offenheit für eine kritische Aneignung von und Arbeit mit Kunst und ihren Institutionen. Die Methoden sind künstlerischen Verfahrensweisen entlehnt. Sie orientieren sich auch an Methoden des Aktivismus.

Audience Development

Partizipation und Interaktion

Outreach

Kooperation

Ko-Kreation

Komplizenschaft 

„Die Kommunikation zwischen Verbrauchern und Unternehmen wird zum Schauplatz der Wertschöpfung“ [3]

Ko-Kreation (Co- Creation): Gemeint ist damit die Einbeziehung des Kunden in die Produktgestaltung bzw. -erstellung. Die Co-Creation kann dabei von der Integration von Kundenideen in den Produktentstehungsprozess über die Ideenauswahl durch Kunden bis hin zur kundenindividuellen Gestaltung gehen. Bsp.: Lego Ideas. Vgl. Open Innovation. Indem Erfahrungsnetzwerke und -umfelder geschaffen werden, ändert sich auch das strategische Verständnis von Unternehmen. Neuere, an die Start-Up-Philosophie angelehnte Strategiekonzepte gehen von einem erweiterten Ressourcenverständnis aus. 

Ko-Kreation bezieht sich auf das Netzwerk von Menschen, die sich mit Kunst und Kultur beschäftigen wollen, auf Menschen, die innerhalb des Kunst und Kulturkontext arbeiten und auf Menschen, die in anderen Weisen „Berührungspunkte“ mit dem Kunstkontext haben.

Komplizenschaft

«Komplizen sind im positiven wie im negativen Sinne Verbündete. Es sind Menschen, die gemeinsam, eng miteinander verflochten zur Tat schreiten. Sei diese Tat legal oder illegal, in jedem Fall haftet der Komplizenschaft Energie, Phantasie und eine subversive Kraft an. Komplizen verbünden sich, um alternative Ordnungen herzustellen, die manchmal schwer durchschaubar, häufig konspirativ und klandestin, aber wirksam ihren Effekt erzielen.» Gesa Ziemer (2014)

  • MitarbeiterInnen
  • Kulturschaffende
  • FördergeberInnen
  • Gemeinden & Kulturausschuss
  • Kulturvereine
  • Vereine in der Gemeinde
  • Schulen & LehrerInnen
  • Bildungswerk
  • Öffentliche Orte (Bibliothek, Altersheim, Jugendtreffs…)

Dialoggruppe

  • Entdecker*innen (Explorers)
  • Mitbringer*innen (Facilitators)
  • Erleber*innen (Experience Seekers)
  • Expert*innen (Professionals / Hobbyists)
  • Auflader*innen (Recharger)
  • Typen von BesucherInnen: Definitionen nach John H. Falk (2009)
  • Creators (Schöpfer / Ersteller)
  • Conversationalists (Gesprächspartner)
  • Critics (Kritiker)
  • Collectors (Sammler)
  • Spectators (Zuschauer)
  • Inactives (Inaktive)
  • Typen von Social Media NutzerInnen: Definitionen nach Ruth Schöllhammer und Kerstin Nägler

2. Welche Rolle spielt die zeitgenössische Kunst und die Künstler*innen im Spannungsfeld zwischen Publikum und Vermittlung? Annäherung an diese Frage anhand des Formates: „Kulturseptember Obertrum am See“ der Kulturinitiative drum5162 zur Auseinandersetzung und Verortung von Gegenwartskultur in Obertrum am See. 

Film und Dokumentation drum5162

– Und jetzt?

Eine (Nicht) Anleitung zur (erstmaligen oder erneuten) Umsetzung vermittlerischer Praxis, unterlegt mit Möglichkeiten und Ausblicken. 

„Handlungsanweisungen“ für Kulturinstitutionen 

Ziel: Wie kann (man) zeitgenössische Kunst und Kultur die Vergangenheit mit der Gegenwart verknüpfen lassen? 

01 Setze dich auf deinen Lieblingsplatz deines Museums oder deiner Kulturinstitution und denke an: Das Leitbild, die Mission, den Grund: Das Warum´, an dein Publikum und deine Dialoggruppe(n) und an die Zukunft. 

02 Gehe rund um dein Museum oder deiner Kulturinstitution und beobachte die Wolken. Notiere deine Antworten zu den Fragen: „Was wäre, wenn wir über den Tellerrand schauen würden? Was wäre, wenn wir neue Wege gehen würden? Was wäre, wenn wir unsere Türen neuen, anderen Menschen öffnen würden? Was wäre, wenn das Neue etwas mit zeitgenössischer Kunst und Kultur zu tun hätte? 

03 Hole einen Glasbehälter. Fülle ihn mit Wasser. Werfe einen kleinen Stein hinen. Was siehst du? 

  • Nimm einen Zettel und einen Stift und notiere welche Gegenwartskünstler*innen aus allen Disziplinen (Bildende Kunst, Literatur. Musik. Darstellende Kunst, Architektur) du aus deinem unmittelbaren Umfeld kennst. Erweitere und frage deinen Vorstand, erweitere und frage deine Vorstandsmitglieder. 
  • Besuche Kulturinstitutionen in deiner unmittelbaren und näheren Umgebung, die sich mit zeitgenössischer Kunst und Kultur beschäftigen und beginne Gespräche mit den Leitungsfunktionen. 
  • Lade Künstler*innen in dein Museum oder deiner Kulturinstitution ein, um gemeinsam neue Ideen zu entwickeln. 
  • Setze dich auf deinen Schreibtisch und rechne nach: Wieviel Geldmittel hast du bereits zur Verfügung um ein neues Projekt zu starten? Welche Ressourcen und Geldmittel sind nötig zu besorgen?
  • Welche Dialoggruppe(n) möchtet ihr mit welchem Format ansprechen?
  • Ist das Format von Dauer oder temporär angelegt? 
  • Welche Bedürfnisse und Erwartungen kann das Projekt einlösen? 
  • Was sind die Ziele des Projekts? 
  • Wer sind deine Komplizen? 
  • Wer sind deine Kooperationspartner*innen? 

Öffentliche Förderungen Gemeinde, Land, Bund: 

https://www.bmkoes.gv.at/Kunst-und-Kultur/informationen-fuer-kunstschaffende/foerderungen.html

https://www.bmbwf.gv.at/Themen/schule/schulpraxis/schwerpunkte/kulturvermittlung.html

https://oead.at/de/schule/kulturvermittlung-mit-schulen/ausschreibungen/kulturbildung

https://www.culture-connected.at/home/

https://oead.at/de/schule/kulturvermittlung-mit-schulen/ausschreibungen/k3-projekte-kulturvermittlung-mit-lehrlingen/

Ausbildungen und Weiterbildungen:

Hochschullehrgang: Kulturvermittlung: Private Pädagogische Hochschule der Diözese Linz: https://www.phdl.at/index.php?id=2793&tx_wbplugin_wbdb[callfn]=booking&tx_wbplugin_wbdb[pgmid]=630&tx_wbplugin_wbdb[title]=AKTUELL:_Kulturvermittlung_%3Cbr%3E2021

Zertifikatslehrgang Kulturvermittlung des Instituts für Kulturkonzepte

Lehrgang Kulturvermittlung: https://www.kulturregionnoe.at/news-detail/artikel/lehrgang-kulturvermittlung

Digitale Kulturvermittlung in Museen und Sammlungsinstitutionen: https://www.donau-uni.ac.at/de/studium/digitale-kulturvermittlung-in-museen-und-sammlungsinstitutionen-cp.html 

Online Seminare, Workshops und Lehrgänge zur digitalen Transformation in Kunst, Kultur und Wissenschaft:https://pausanio.com/akademie/

Masterlehrgang für Ausstellungstheorie und Praxis an der Universität für Angewandte Kunst Wien: https://ecm.ac.at

[1] Bei der ICOM CECA Preconference in Steyr 2017, haben der Österreichische Verband der KulturvermittlerInnen und ICOM CECA das Berufsbild für die Kulturvermittlung verabschiedet: 130 Kulturvermittlerinnen und Kulturvermittler aus ganz Österreich haben das Berufsbild für die Kulturvermittlungeschlossen und in der Generalversammlung des Verbandes bestätigt. http://www.kulturvermittlerinnen.at/kulturvermittlung/

Vernetzung: 

Arbeitskreis Neu. Plattform für Kulturvermittlung Salzburg: https://www.arbeitskreisneu.at

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